Einem kräftigen Stier stehe ich nahe gegenüber.
Reglos, aber zum Sprung bereit fixiert er sein
Visavis, vor allem mit dem linken Auge. Vielleicht
senkt das Tier plötzlich seinen Kopf und rammt
mir die eckig geformten Hörner in Bauch und Gesicht.
"Toro" heisst das Bild, das mich an den spanischen
Stierkampf denken lässt. An den ritualisierten
Stierkampf erinnern ausser der spanischen Werkbezeichnung
der scharlachrote Hintergrund und die blutroten
Farbtropfen, die über dem Stierkopf nach unten
auslaufen. Steht das Tier hinter Glas, wo es in
einen weissen und schwarzen Rahmen gefasst ist,
sodass mich die durchsichtige Wand vor ihm schützt?
Oder soll das schwarzweisse Kreuz an Leiden und
Auferstehung erinnern? - Würde und Magie gehen
von dem Stier aus, der sich möglicherweise unvermittelt
von den Betrachtenden abwendet, nachdem er seine
Neugier an uns gestillt hat. Das Bild zwingt die
Betrachtenden dazu, die Konfrontation mit jenem
Wesen auszuhalten, von dem eine Art Urkraft ausgeht
und das Bescheidenheit fordert. Was berechtigt
Menschen dazu, um des Nervenkitzels willen, einen
Stier in einer Arena dem lange andauernden Todeskampf
auszusetzen?
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